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Le Locle und La Chaux-de-Fonds, Städte im Herzen der Zeit

Wer könnte auf die Idee gekommen sein, Städte in 1’000 m Höhe zu errichten? In einer durch Schneestürme gepeitschten Weiden- und Waldlandschaft, ohne besondere Ressourcen und abseits der grossen historischen Achsen? Le Locle und La Chaux-de-Fonds sind undenkbare Städte, entstanden aus der Genialität und der Willenskraft von engagierten, solidarischen und erfinderischen Männern und Frauen.

 

Diese Jurassier waren aus dem Tal Val-de-Ruz gekommene Bauern, die hier ihr Vieh weiden liessen. Zweifellos ab dem XIV Jahrhundert, vielleicht schon eher, haben diese Bauern sich dauerhaft in der rüden Region niedergelassen. Sie haben ihre ersten Behausungen auf den weitläufigen Grünflächen errichtet. Sie konnten Nutzen aus einigen, ihnen durch den damaligen Lehnsherren gewährten Vorteile ziehen und sich nach und nach auf diesem kargen Boden etablieren, auf dem sie später robuste steinerne Häuser Stein gebaut haben. Aufgrund ihrer schmucklosen, dennoch eleganten Architektur und ihrer rationellen Ausstattung rufen diese Bauernhöfe immer noch Bewunderung hervor. Der Pferdestall befand sich neben dem Logis, Wärmequelle des Hofes, und dank schöner Fenster gen Süden konnten sie sich diversen handwerklichen Aktivitäten hingeben.

 

Während der langen Wintermonate waren diese Bergbauern keinesfalls müßig. Sie waren damit beschäftigt, ihre Werkzeuge zu reparieren, oder Spitzen anzufertigen, die seinerzeit bei Hofe und Europas Adel sehr beliebt waren. Dieses kommerzielle Netzwerk hat sich später als sehr nützlich für den Verkauf von Uhren (Wand-, Taschen- und Armbanduhren) erwiesen.

Le Locle und La Chaux-de-Fonds, Städte im Herzen der Zeit

Als die ersten Zeitmesser erschienen, konnten diese geschickten Handwerker sie schnell demontieren, reparieren und später herstellen. Begierig nach Fortschritt und gewohnt, sich angesichts der mageren Schätze ihrer Regionen nur auf die eigenen Kräfte zu verlassen, ist die Existenz der Uhrmacher-Bauern einer Überlebensnotwendigkeit zu verdanken. Sehr rasch wurden sie Meister der Zeitmessung: Die meisten haben ihre Bauernhöfe verlassen, um sich in die grossen Dörfer zu begeben, die sich um Le Locle, im leider sumpfigen Tal Vallée du Bied und um La Chaux-de-Fonds, nahe der Quelle des kleinen Flusses Ronde gebildet hatten.

 

Le Locle trägt übrigens einen von dem lateinischen Wort lacus (See) abgeleiteten Namen, der auf den sehr wasserreichen Boden anspielt.Der Name des eher wasserarmen La Chaux-de-Fonds stammt von dem lateinischen Wort calmis, hohe und brache Weiden für Chaux, und Fonds, ebenfalls vom lateinischen fons, Brunnen oder, eine andere Version, als Erinnerung an die ersten Bewohner, die aus dem Nachbardorf Fontaines zugezogen waren. Diese Stadt ist somit „die Weide nahe des Brunnens“ oder die „Futterweide der Nachbarn“ !

 

Durch das Talent der Uhrmacher vergrösserten sich beide Städte. In den Jahren 1800 tönt das Ticken der Wanduhren, später der Uhren wie die Schläge des Herzens.

Le Locle und La Chaux-de-Fonds, Städte im Herzen der Zeit

Von nun an entsprechen die Organisation und die Entwicklung der Städte den Bedürfnissen dieser Industrie, die einen allgemeinen Fortschritt mit sich bringt. Als Notwendigkeit für die Werkstätten und das Wohlergehen der Bewohner, wird fliessendes Wasser ab 1887 von der Quelle des Flusses Areuse in 20 km langen Aquädukten nach La Chaux-de-Fonds geleitet. Schulen – Grund- und industrielle (Sekundar-) Schulen, technische Schule, Schule für angewandte Künste, Handelsschule – bilden hochqualifizierte Handwerker aus, Techniker und Künstler, auch Geschäftsleute, unentbehrlich für die Entwicklung einer Uhrenproduktion, die fähig sein muss, der Konkurrenz des Auslandes die Stirn zu bieten.

 

Der Urbanismus wird durch diese rasche Entwicklung beeinflusst. Seit ihren Anfängen wüteten in beiden Städten zahlreiche, heftige Brände. Besonders der Brand von 1794 in La Chaux-de-Fonds zerstörte zwei Drittel des Dorfes. Aber dieses Malheur hatte die Erstellung von zwei sukzessiven, relevanten Stadtplänen zur Folge. Es entstanden Strassen im Schachbrettmuster, eine Reihenfolge von Chaussee, Haus und Garten, sodass sich die Häuserblöcke in einem genügend grossen Abstand voneinander befanden. In diesen für Arbeiterfamilien gebauten Gebäuden befanden sich auch kleine Ateliers, die für die Uhrmacherarbeit notwendiges Licht boten, sowie gute Sonnenbestrahlung, um den beginnenden Hygiene-Problemen zu begegnen.Die breiten Strassen erinnern an das unablässige Kommen und Gehen der Laufburschen, die von einer Manufaktur zu anderen eilten, um den einen oder anderen der zahlreichen Uhren-Komponenten abzuliefern.

 

Abgesehen von dieser arbeitssamen, immer noch spürbaren Geschichte, präsentiert die Architektur auch eine schöne, durch Farben nicht monotone Einheitlichkeit, harmonische Fassaden und Weitläufigkeit.

 

Die bedeutende Entwicklung der Uhrenindustrie, besonders in den Jahren 1880 bis 1914, liess Mietshäuser in schnellem Rhythmus entstehen. Und das, ohne die Qualität der Konstruktion ausser Acht zu lassen und nach diskreten Dekors zu suchen, die nur aufmerksamen Besuchern ins Auge fallen.

 

Während dieser Periode entstanden auch grosse Fabriken erlebt, oft sehr elegant, sowie von Herrenhäusern, welche den Wohlstand, aber auch den Kunstgeschmack der Uhrenpatrons demonstrierten.

Le Locle und La Chaux-de-Fonds, Städte im Herzen der Zeit

In den Talgrund eingebettet, hat sich La Chaux-de-Fonds nach Westen und über die Nord- und Südhänge ausgedehnt. Le Locle präsentiert auf den die Stadt umgebenden Hügeln eine etwas aufgeregtere Topografie mit modernen Vierteln.

 

Aber die hergebrachten Bauten wurden nicht zerstört und heute sind die beiden Städte des Neuenburger Juras seltene Zeugen des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, welche immer einen Mix aus Behausung und Industrie darstellen. Die Mietshäuser wurden den aktuellen, Abrisse vermeidenden Bedürfnissen angepasst und die schönen breiten Strassen zeigen eine elegante und farbenfrohe Harmonie.

 

Diese Punkte, neben anderen, haben die Aufnahme der Städte in das UNESCO- Weltkultur-erbe 2009 motiviert. Bei Betracht der Liste der zugehörigen Stätten, kann diese Wahl überraschen. Beide Städte bieten ihre Schätze nicht ostensiv an, man muss sie vorbehaltslos aufspüren. Vor allem muss man in die Geschichte dieser beiden Städte eintauchen, um die besondere Urbanistik zu erkennen; sich den Willen, die Beharrlichkeit, das Know-how der Bewohner dieses rüden Landes vor Augen führen. Sie schufen – und schaffen noch – unglaubliche Wunderwerke der Technik im Bereich der Zeitmessung und der Raffinesse der Ausstattungen.

 

Ausser der urbanen Geographie und der industriellen Produktion, sind auch die jurassischen Charakterzüge eine Entdeckung wert. Beide Städte haben zu Recht den Ruf, Besuchern einen herzlichen Empfang zu bereiten. Aber auch hier, ohne Bluff, ohne Oberflächlichkeit, man muss sich eben die Zeit nehmen…

 

Heute sind Le Locle und seine 11’000 Bewohner, sowie La Chaux-de-Fonds mit 39’000 Bewohnern nach wie vor bedeutende Uhrenmetropolen. Andere Industriezweige sind entstanden, wie Mechanik, Mikrotechnik, Paramedizin. Die Uhrmacherei, vertreten durch zahlreiche Prestige-Marken ist noch immer das mit Stolz zur Schau gestellte Emblem.

 

Die modernen Fabriken sind grösstenteils an der Peripherie der Stadt in Industriezonen implantiert. Hier ist man stets darauf bedacht, die Qualität der Umwelt und der Architektur zu bewahren, welche den prestigeträchtigen Geist der hergestellten Uhren reflektiert. Die Uhrmacher sehen weit voraus in die Zukunft, bewahren jedoch die Bindung zur Geschichte des Ortes. Man kann z. B. auch einen Bauernhof aus dem 17. Jahrhundert entdecken, der wie ein Wärter eng neben der futuristischen Fabrik eines der Visionäre der Zeitmessung steht.